EL VESUBIO

Die Elisabeth Käsemann Stiftung unterstützt die Planung und den Bau einer Gedenkstätte auf dem Gelände des ehemaligen geheimen Haftlagers El Vesubio.

LAGE UND GESCHICHTE

El Vesubio liegt in der Provinz Buenos Aires, unmittelbar neben der Autobahn, die zum internationalen Flughafen Ezeiza führt. Die Anlage bestand aus drei Häusern im Kolonialstil und einem Swimmingpool. Sie diente bereits der paramilitärischen Alianza Anticomunista Argentina seit 1975 als Folterzentrum und Haftlager. Nach dem Militärputsch von 1976 unterstand El Vesubio in gleicher Funktion dem 1. Heereskorps unter der Führung von General Guillermo Suárez Mason. Bis zu seiner Auflösung und Zerstörung im Jahr 1979 im Vorfeld der Inspektion der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte waren mehr als 2500 Personen dorthin verbracht worden. Nur wenige von ihnen haben überlebt. Die meisten Opfer sind so genannte „Verschwundene“, ihre Leichen sind nie gefunden worden. Unter den Opfern von El Vesubio befanden sich mit Elisabeth Käsemann ein deutsches und mit Héctor Oesterheld, Guillermo Ricny, Rolf Stawowiok, Juan Thanhauser und Federico Tatter deutschstämmige Opfer und mit Wolfgang Achtig ein Österreicher.
Foto: Memoria Abierta
Virtuelle Rekonstruktion der Haft- und Folterräume. Foto: Memoria Abierta

DAS LEBEN IM LAGER

Die Gefangenen mussten auf dem Boden in engen, sargähnlichen Verschlägen liegen. Sie durften weder sitzen noch aufstehen. Dies führte zu einer Verkümmerung der Muskeln und völliger Orientierungslosigkeit. Sie mussten eine Art geschlossene Kapuze tragen, die über den ganzen Kopf gezogen wurde und das Gesicht, auch die Augen und den Mund, vollständig verdeckte. Die Kapuze durfte nie abgenommen werden. Ein Mal am Tag wurden die Gefangenen zur Toilette geführt, entweder einzeln oder in Reihen, die Hand auf der Schulter des Vordermanns. Auch dabei mussten die Kapuzen aufbehalten werden. Manchmal mussten die Opfer stundenlang warten, so dass sie sich vorher entleerten. Es gab auch Zeiten, in denen sie nicht zur Toilette gebracht wurden, sondern sie ihre Bedürfnisse in Blechdosen in der Zelle verrichten mussten, die dann tagelang in den Zellen stehen blieben.
Virtuelle Rekonstruktion der Haft- und Folterräume. Foto: Memoria Abierta
Die Gefangenen erhielten eine Mahlzeit am Tag, die aus Reis oder Nudeln bestand und häufig von Würmern befallen war. Im günstigsten Fall bekamen sie morgens Tee und vielleicht ein Stück Brot. Unter den höhnischen Bemerkungen der Bewacher wurden die Häftlinge nackt zum Duschen geführt. Oft wurde diese Situation für Vergewaltigungen und sexuellen Missbrauch genutzt. Beides wurde im Lager systematisch durchgeführt. Die Neuankömmlinge erhielten eine Nummer. Statt mit ihrem Namen wurden sie zum Duschen, zur Folter und am Ende zur inszenierten oder wahrhaftigen Erschießung mit einer Nummer aufgerufen. Die Aberkennung ihrer Identität und die Durchführung von Scheinexekutionen zermürbten die Gefangenen psychisch.

Die physische Folter eines Gefangenen konnte sich über Tage oder gar Wochen hinziehen und bestand aus Schlägen, aus Elektroschocks an sensiblen Körperstellen oder dem „submarino“, eine Form des Waterboardings. Häftlinge wurden gezwungen, die Folter von Familienangehörigen mitanzusehen. In einem Fall musste eine Mutter der Folter ihres 14-jährigen Jungen beiwohnen.

PROJEKT GEDENKSTÄTTE EL VESUBIO

Auch wenn die Gebäude von El Vesubio 1979 zerstört wurden, um das Bestehen von Haft- und Folterlagern in Argentinien zu leugnen, legen die noch sichtbaren Fundamente und Spuren Zeugnis ab von seiner Existenz. Die bis heute erkennbare Struktur des Lagers entspricht den Angaben der Überlebenden.

Bedeutung und Zustand des Ortes

Im Rahmen der noch laufenden juristischen Prozesse in Argentinien, konnte mit den Tatortbegehungen die Existenz des Lagers nachgewiesen werden. Die Überreste des Lagers besaßen den gleichen juristischen Stellenwert wie die Aussagen der Zeitzeugen.

Das Gelände erhält seine Bedeutung nicht nur aufgrund seiner juristischen Relevanz, sondern auch als Ort der Erinnerung. Es ist unerlässlich, dass das ehemalige geheime Haftlager erhalten bleibt, damit seine Spuren als Teil der Erinnerung an die Diktatur nicht ausgelöscht werden können und damit so nicht verharmlost werden kann, was dort geschehen ist. Es soll als Erinnerungsstätte für künftige Generationen sichtbar und von Bedeutung bleiben.

Wind, Wetter- und Umwelteinflüsse haben den Zustand der Überreste zunehmend verschlechtert. Es besteht die offensichtliche Notwendigkeit, die heute noch sichtbaren Spuren zu schützen, um sie zu bewahren und um mit Hilfe professioneller Spezialisten weitere Überreste zu bergen. Es ist notwendig, die fortschreitende Zerstörung des Ortes aufzuhalten.

Projektplanung und bauliche Maßnahmen

Das Projekt zur Erhaltung der Überreste von El Vesubio wurde von den Organisationen der Überlebenden von El Vesubio und des Haftlagers Puente 12 gemeinsam mit Memoria Abierta erarbeitet und dem staatlichen Büro für Menschenrechte in Argentinien vorgestellt.

Die Planung sieht die Erhaltung und den Schutz der dem Wetter und der Umwelt ausgesetzten Überreste der vier Bauwerke vor. Außerdem soll das gesamte Gelände geschützt und abgegrenzt werden. Es ist geplant, ein neues, kleines Gebäude auf dem Gelände zu errichten, in dem ein Büro zur Betreuung der baulichen Maßnahmen und der Gedenkstätte untergebracht ist.

Das Büro soll u.a. folgende Tätigkeiten übernehmen:
  • einen neuen Zugang zu dem Gelände entwickeln,
  • die vier Bereiche mit den sichtbaren Grundmauern mit einem verzinktem Blech überdachen,
  • eine umgebende Trennwand um jeden der vier Bereiche errichten, um das Eindringen von Wasser zu verhindern
  • ein Schutzareal anlegen, das die vier Bereiche umgibt und das aus einer fünf Meter breiten Rasenböschung besteht,
  • die Errichtung von Laufstegen, die die einzelnen Bereiche verbinden und einen Kreis bilden. Sie dienen dem Schutz der Grabungsfläche und ermöglichen die archäologischen Grabungen. Zugleich gestatten sie den Besuchern die Begehung des Ortes.
  • Die Errichtung von Schutzvorrichtungen und Aufgängen.

Die verschiedenen Baumaßnahmen unterstützen die Entwicklung der archäologischen Ausgrabung, welche die Fundamente aller Gebäude und die Überreste auf dem Gelände sichtbar machen werden.

Axonometrische Darstellung des Architektur-/Archäologieprojekts zur Erhaltung des geheimen Haftlagers El Vesubio (Quelle: Memoria Abierta).

Gesamtgrundriss des Architektur-/Archäologieprojekts zur Erhaltung des geheimen Haftlagers El Vesubio (Quelle: Memoria Abierta).